Wer ein Grundstück kauft, denkt dabei oft nur an Lage und Kaufpreis. Die Freude über das frisch erworbene Bauland wird jedoch schnell getrübt, wenn bei den Bauarbeiten plötzlich ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg zum Vorschein kommt. Denn auch heute noch liegen viele Tonnen gefährlicher Kampfmittel tief unter der Bodenoberfläche.
Die Blindgänger rosten langsam vor sich hin, geben Giftstoffe ans Erdreich ab und können sogar explodieren, wenn man ihnen zu nahe kommt. Vor allem Baugrund in deutschen Großstädten ist mit Blindgängern belastet, da sie von den Alliierten besonders großflächig bombardiert wurden.
Städte wie Dortmund sind deshalb dazu übergegangen, keine Baugenehmigung ohne vorherige Boden-Untersuchung auf Kampfmittel zu erteilen. Der Verband Privater Bauherren (VPB) empfiehlt Investoren, sich schon vor dem Kauf eines Grundstücks über die Geschichte des betreffenden Areals zu informieren, um unnötige Kosten zu vermeiden. Auskunft über etwaige Bomben-Abwürfe über dem infrage kommenden Gebiet geben Bauämter, Ordnungsämter und Regierungspräsidien (die Zuständigkeit für die Kampfmittel-Beseitigung ist bundesweit nicht einheitlich geregelt).
Kampfmittel-Beseitigung
In vielen deutschen Großstädten gibt es Verdachtsflächen-Kataster, die Bodenflächen ausweisen, bei denen der Verdacht auf im Erdreich schlummernde Bomben besteht. Stellt die zuständige Behörde bei der Prüfung des Bauantrages fest, dass das gekaufte Grundstück zu einer Verdachtsfläche gehört, besteht Sondierungspflicht seitens des Grundstücks-Eigentümers: Er ist verpflichtet, einen Antrag auf Prüfung des Baugrunds zu stellen. Stellt sich dann während der Erkundungsarbeiten heraus, dass sich dort eine Bombe befindet, müssen die Kampfmittel fachgerecht entschärft, abtransportiert, zerlegt und entsorgt werden.
Auf das Freilegen und Entschärfen spezialisiert sind private Kampfmittel-Beseitiger. Staatliche Kampfmittel-Räumdienste (KRD) sind hingegen für den Abtransport und die Entsorgung der Bombe zuständig. Ist der Baubereich frei von Kampfmitteln, erstellt der KRD dem Bauherrn eine „Bestätigung der Kampfmittelfreiheit“ gemäß ATV DIN 18299 und die Baumaßnahme, kann in Angriff genommen werden. Kann der Blindgänger nicht direkt vor Ort entschärft werden, muss man ihn durch Sprengung unschädlich machen. Wird er erst während der Bauarbeiten entdeckt, ist der Bauherr verpflichtet, den Zufallsfund umgehend der Polizei zu melden.
Generelle Haftung und Kosten
Gemäß öffentlichem Baurecht ist der Grundstückseigentümer grundsätzlich für die Freiheit des Baugrunds von Kampfmitteln verantwortlich. Korrekt handelt er, wenn er schon in der Planungsphase einen Antrag auf Untersuchung des Bodens bei der zuständigen Behörde einreicht. Dies sollte er auch dann tun, wenn keine Sondierungspflicht besteht. Verzichtet er hingegen auf eine vorherige Überprüfung des Baugrunds, hat er seine auf der Baustelle beschäftigten Mitarbeiter über sämtliche vom Kampfmittel ausgehenden Gefahren zu informieren (§§ 4 und 12 ArbSchG).
Ist nicht hundertprozentig sicher, dass sich keine Kampfmittel (mehr) im Boden befinden, sollte das ausführende Bauunternehmen umgehend die zuständige Arbeitsschutz-Behörde oder die Berufsgenossenschaft (meist die BG BAU) über diesen Missstand in Kenntnis setzen. Schuld an dieser prekären Situation ist zum Beispiel eine nicht sach- und fachgerecht durchgeführte Boden-Sondierung oder eine nicht vorschriftsmäßig erstellte Freigabe-Erklärung. „Sach- und fachgerecht“ bedeutet, dass Untersuchung und Beräumung umfassend und mit neuester Technologie durchgeführt wurden.
Die Kosten orientieren sich am Besitzstand des Grundstücks im Laufe der Zeit. Glück haben die Bauherren, deren Grundstück bereits in Bundes- oder Kommunalbesitz war.
Gehört der infrage kommende Baugrund zu einer Bundesliegenschaft oder zu ehemaligem Bundesvermögen, hat der Bund die Kosten für Sondierung und Beseitigung zu tragen. Handelt es sich jedoch um ehemaliges kommunales Eigentum, so übernimmt die Kommune sogar die gesamten Kosten. Trifft beides auf die zukünftige Baustelle nicht zu, gehen die Kosten für vorbereitende, begleitende und abschließende Maßnahmen zulasten des Grundstückseigentümers.
Dasselbe gilt für eventuell anfallende Mehrkosten. Zu den vorbereitenden Maßnahmen gehören beispielsweise Probebohrungen. Begleitende Maßnahmen sind Absperren und Evakuierung der Gefahrenstelle, abschließende Maßnahmen die Wiederherstellung des Ursprungszustandes des Geländes. Mehrkosten fallen für Spezial-Verfahren und Spezial-Maschinen an. Kosten, mit denen der Bauherr grundsätzlich nicht belastet wird, sind dagegen die Auswertung von Luftbildaufnahmen und Messwerten und der Abtransport des Gefahrguts.
Sofortmaßnahmen
Wird das gefährliche Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg erst während der Bauarbeiten entdeckt, ist der Auftraggeber verpflichtet, Sofortmaßnahmen auf dem gesamten Baubereich (nicht nur auf der eigentlichen Baustelle!) einzuleiten. Dasselbe gilt, wenn nur der Verdacht auf Vorhandensein eines Kampfmittels besteht.
Der Grundstückseigentümer hat die Bauarbeiten umgehend einzustellen und alle auf dem Baugrund und im Umfeld befindlichen Personen evakuieren zu lassen. Der gesamte Baubereich ist sofort weiträumig abzusperren. Außerdem muss die Polizei über den Sachverhalt informiert werden.
Zivilrechtliche und strafrechtliche Folgen
Im Prinzip hat der private Grundstückseigentümer das Recht, auf den Abschluss eines Vertrages nach § 4 Abs. 8 VOB/B (Nachunternehmerverhältnis) zu verzichten und stattdessen eine individuelle schriftliche Vereinbarung zu treffen. Auf diese Weise haftet die ausführende Baufirma – wenn sie auf die vorherige Boden-Untersuchung verzichtet hat – im Fall eines Kampfmittel-Unfalls im zivilrechtlichen Sinne. Der Bauherr selbst kann hingegen nur strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Allerdings belastet er sich durch den Verzicht auf die Boden-Untersuchung unnötig mit Mehrkosten, die durch die vorübergehende oder sogar endgültige Stilllegung der Baustelle entstehen.
Wird auf der Baustelle eine Person durch die Bombe geschädigt, hat sie Anspruch auf Schadensersatz gegen den Schädiger (Auftraggeber oder Auftragnehmer), wenn dieser mindestens fahrlässig gehandelt hat. Zu gesundheitlichen Schäden, Unfällen mit Todesfolge und Sachschäden kommt es beispielsweise, wenn der Blindgänger explodiert ist und zuvor keine Sicherheitsmaßnahmen getroffen wurden. Oder wenn die vorherige Erkundung des Geländes nicht sach- und fachgerecht vorgenommen wurde und man trotz des Verdachts weitergebaut hat.
Ein Mangel an Vorsicht und Schutz kann das Leben des Verantwortlichen und natürlich der Betroffenen zerstören.
Maßgebend für die strafrechtliche Haftung ist § 308 StGB (Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion). Wurde eine Person durch die Explosion der Bombe gefährdet, kann der dafür Verantwortliche mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr rechnen. Zwei Jahre Freiheitsentzug erhält er, wenn er beim Geschädigten eine schwere Gesundheitsbeeinträchtigung herbeigeführt oder aber viele Menschen auf dem Baugelände gesundheitlich geschädigt hat. Handelte der Verantwortliche mindestens leichtfertig und kommt es dadurch zum Tod des Geschädigten, so drohen ihm mindestens 10 Jahre oder gar lebenslange Haft.
Wurde die Gefährdung jedoch fahrlässig herbeigeführt, kann er mit einer Freiheitsstrafe von maximal 5 Jahren oder Geldstrafe rechnen. Unter „Gefährdung“ versteht man das Nicht-Beachten der Regeln der Technik im Umgang mit Kampfmitteln. Eine dieser Regeln ist zum Beispiel Abschnitt 0.1.17 der ATV DIN 18299 VOB/C, nach der der Bauherr verpflichtet ist, der Baufirma eine Bestätigung der Kampfmittelsuche vorzulegen, die den aktuellen Vorgaben des betreffenden Bundeslandes entspricht.
Die jeweils gültige Fassung der Bestätigung findet der Grundstücksinhaber im Internet. Fachanwälte raten Bauherren, die Umsetzung der Bestimmungen immer möglichst zeitnah in der Bauakte zu dokumentieren. Denn wurden sie nicht vorschriftsmäßig umgesetzt, kann der Auftraggeber wegen § 319 StGB (Baugefährdung) haftbar gemacht werden, auch wenn es überhaupt nicht zur Explosion des Blindgängers kam. Baugefährdung wird mit bis zu 5 Jahren Gefängnis oder Geldstrafe geahndet.
Falschalarm und seine Folgen
Stoßen Bauarbeiter während der Ausschachtung des Baugrunds auf einen Gegenstand, den sie für eine Handgranate oder Stabbrandbombe aus dem Zweiten Weltkrieg halten, wird meist umgehend die Polizei oder der Kampfmittel-Räumdienst verständigt.
Handelt es sich dabei um einen Fehlalarm – was nach Aussage von Kampfmittelbeseitigern relativ häufig vorkommt – so liegt die Verantwortung dafür bei der ausführenden Baufirma oder beim Bauherrn selbst. Für den unnötigen Einsatz sind meist zwischen 80 und 130 Euro Gebühren fällig. Spürt jedoch die den Boden untersuchende Fachfirma oder die Feuerwehr den vermeintlichen Blindgänger auf, so haben sie die Kosten für den blinden Alarm zu tragen.
Dass sogar gestandenen Profis derartige Irrtümer unterlaufen, liegt an der Ungenauigkeit der Technik. Die historische Luftbildaufnahme zeigt zum Beispiel an der geplanten Baustelle einen Bombenabwurf und die Tiefen-Sondierung vor Ort ergibt, dass sich in 4 Meter Tiefe ein „Objekt aus Metall“ befindet: Details über den verdächtigen Gegenstand kann man jedoch mithilfe der Sondierung aktuell noch nicht erhalten.